Autsch

Taxifahrer in Mitte kennen das gut: Man cruist gemächlich durch die Oranienburger, rechts und links stehen die Damen des ältesten Gewerbes, dazwischen Passanten und zumeist männliche Jugendliche, die mit Stielaugen und zu enger Hose verschämt oder laut grölend die Barbie-Puppen betrachten. Ab und zu, wenn eine sich einen Freier geschnappt hat, winkt sie ein Taxi heran. Früher hatten sie ein Haus direkt an der Ecke zur Linienstraße, dann in der Torstraße. Seit ein paar Jahren geht es per Kurzstrecke (»Gib dem Taxifahrer aber ein Trinkgeld, Süßer!«) in die Steinstraße. Das ist schnell verdientes Geld für zwei, drei Minuten Fahrt. Die Gespräche verlaufen meist gleich, die Dame versucht den Mann etwas aufzutauen. »Na, und was machst du so? Ich hab dich hier ja noch nie gesehen. Du bist nicht so oft hier, oder?«
Als die sehr kurz berockte, extrem langbeinige Lady mit dem mittelalten Mann im Schlepptau mich an der Ecke Tucholsky heran winkte, war eigentlich schon alles klar. »Steinstraße bitte, Kurzstrecke.«
Während der Fahrt sprachen sie allerdings kein Wort. Am Bordell angekommen meinte sie plötzlich: »Kurz vor der Alten Schönhauser!« Ich wurde neugierig: »Oh, seid Ihr umgezogen?« Das Duzen gehört zwischen Huren und Taxifahrern zum guten Ton.
Die Dame beugte sich nach vorn: »Ja, aber woher wissen Sie das denn?«
»Na, Ihr ward doch vorher ein paar Häuser weiter vorn.«
»Nein, vorher haben wir in Charlottenburg gewohnt, Sie müssen uns wohl verwechseln.«
Plötzlich fing der Mann an zu lachen: »Schatz, ich glaube, der Herr hat vor allem dich verwechselt. Du weißt doch, wo wir eben eingestiegen sind.«
Die Frau sagte nichts dazu und verließ den Wagen, während ihr Mann noch lachend bezahlte. Selten war mir eine Äußerung so peinlich.